Emanation

Emanation1 Emanation2 Emanation3

2004
2 x 1,5 Meter
Stahl, Filz, Stanniol

Am Kopfende eines ca. 140 x 200 cm großen Bodenbelages aus wechselnden Schichten von Filz und Stahlwolle stehen maßstabsgetreue und entsprechend ausgerichtete Nachbildungen der Pyramiden von Gizeh. Im Zentrum ein, auf einer Nadel gelagertes, Stanniolpapier, davor ausreichend Raum, um Platz zu nehmen. Ein Schild neben der Installation besagt: „Das Metallplättchen kann Kraft Ihrer Gedanken in Bewegung versetzt werden“. Das Wie und Warum bleibt zu erforschen.
Während Evolution zunehmende Differenziertheit bedeutet, meint Emanation (lat. ausströmen) die gegenläufige Entwicklung zu etwas Unbestimmtem, das sich in ein Einfacheres auflöst und nahtlos mit der Umgebung verbindet. Die Kombination Isolator-Metall erinnert an die Orgonakkumulatoren Wilhelm Reichs und deren Wirkungen auf Energiesysteme und Organismen. Übergänge vom Materiellen zum Feinstofflichen, Formen von Energieübertragung sowie die Kraft der Gedanken beschäftigen nicht nur die Literatur oder esoterische Grenzbereiche, sondern auch Disziplinen wie Psychologie, Physik, Neurotheologie, Informatik und Gehirnforschung. Das aus dem Bereich der Telekinese stammende Experiment stellt im Kunstkontext die Grenzen zwischen den Bereichen Wissenschaft, Pseudo-Wissenschaft, Religion und Kunst in Frage – einst unverzichtbare Bestandteile humanistischer Bildung.
„Emanation“ untersucht das Gesamtsystem Objekt-Werkzeug-Methode-Beobachtung-Beobachter, die Auflösung der Grenzen des Ichs sowie die Beziehung Bewusstsein-Materie-Raum. Im Gegensatz zum wissenschaftlichen verweigert sich das künstlerische Experiment quantifizierbaren, starren Regeln und sucht neue Möglichkeiten des Ausdrucks, des Mediums oder der Sichtweisen. Daher kann es nie wirklich scheitern. Allein die performative Erfahrbarkeit von Wirkungen im Selbstversuch kann als Erfolg verbucht werden und ist Anlass, über die Reichweite des eigenen Selbst nachzudenken. Dem Rauschen dabei ein Muster zu entlocken ist weniger Beweis für dessen Existenz, als strukturierendes Wahrnehmungsphänomen. Entscheidend ist, sich darauf einzulassen, egal, in welche Richtung es einen treibt.

Prof. Christin Lahr